Einblicke ins Leben unserer Vorfahren

Diese silbernen Körbchenohrringe mit blauer Glaseinlage stammen vom frühmittelalterlichen Gräberfeld an der Früebergstrasse. Bilder: Amt für Denkmalpflege und Archäologie

In Baar entdeckte keltische Münzen aus Silber und Potin (Bronzelegierung) aus der Zeit um 250 bis 50 vor Christus.

Diese römische Statuette aus Bronze stammt von der Baarburg und stellt den Götterboten Merkur dar.

Stefan Hochuli zeigt auf eine bemalte Holzwand, die 2010 in Baar aus einem 1419/1420 erstellten Haus von der Kantonsarchäologie gerettet wurde.Bild: Claudia Schneider

Diese sogenannten Rückenbeschläge befanden sich im Gräberfeld an der Früebergstrasse.
Stefan Hochuli und sein Team haben in Baar mehrere spektakuläre Funde gemacht. Das Interesse der Bevölkerung an den Ausgrabungen ist stets riesig.
Von: Claudia Schneider
«1998 waren wir bei der Zugerstrasse auf rund 70 frühmittelalterliche Gräber gestossen. Es war gewaltig, wir arbeiteten im Schichtbetrieb, manchmal rund um die Uhr», schaut Stefan Hochuli zurück. «Die Zentrumsstrassen um St. Martin waren gesperrt. Und jeden Tag kamen Hunderte Besucher, um sich den Fund aus der Nähe anzuschauen», so der Vorsteher des Amtes für Denkmalpflege und Archäologie Kanton Zug. «Es war berührend, wir fanden sterbliche Überreste von gegen 60 Menschen.» Zwei Jahre später, bei Bauarbeiten an der Früebergstrasse, wurde der spektakuläre Fund von St. Martin noch überboten. Die Archäologen stiessen auf rund 200 Gräber; am Tag der offenen Grabung strömten gegen 1000 Neugierige zur Ausgrabungsstelle.
Die hohe Bautätigkeit führt zu vielen Einsätzen der Archäologie
Der Kanton Zug hat später als manch andere Kantone, erst 1986, die institutionelle Archäologie eingeführt. «Es gab viel Nachholbedarf», weiss Stefan Hochuli, der 1991 als Kantonsarchäologie in Zug startete, das Amt seit 2001 leitet und Ende Mai in Pension geht. Aufgrund der sehr dynamischen Bautätigkeit im Kanton gibt es stets viel zu tun. Planerisch ist das eine Herausforderung. «Es ist aber wissenschaftlich auch eine Riesenchance – unglaublich, was im Kanton alles zum Vorschein kommt», schwärmt Hochuli. Besteht eine Bauabsicht für ein Gebiet, das die Archäologie als interessant einstuft, nimmt das Amt schon früh Kontakt mit der Bauherrschaft auf und macht erste Abklärungen wie beispielsweise Baugrunduntersuchungen. Die Zusammenarbeit mit den Bauunternehmen sei gut. Beispielsweise beim Früeberg hatte die Generalunternehmerin ihr Bauprogramm umgestellt, um die Ausgrabungen zu ermöglichen. Wird die Planung mit der Bauherrschaft koordiniert, lässt sich viel Zeit sparen. Gelegentlich gibt es aber auch Überraschungen, die erst während der Bauarbeiten zum Vorschein kommen. Dann wird es hektisch. «Nachteil der hohen Bautätigkeit ist, dass wir uns auf die Rettung der Objekte konzentrieren müssen und zu wenig Zeit für deren wissenschaftliche Auswertung habe.»
Baarburg ist ein Sonderfall, hier lebte wohl einst die Oberschicht
Ein Gebiet in Baar, für das keine Bauabsichten bestehen und dennoch die Aufmerksamkeit der Archäologen immer wieder auf sich zieht, ist die Baarburg. In den 1990er-Jahren hatte das Amt für Archäologie in Zusammenarbeit mit der Universität Bern Ausgrabungen durchgeführt. Spuren einer Burg wurden dabei nicht entdeckt. Stefan Hochuli geht aufgrund der Funde aber von einem frühkeltischen Fürstensitz (zirka 500 vor Christus) und einer spätkeltischen befestigten Siedlung (zirka 100 vor Christus) aus. Weitere Funde belegen, dass in den ersten 300 bis 400 Jahren nach Christus die römische Kultur in Baar Einzug gehalten hatte.
Baar wurde kurz nach der letzten Eiszeit vom Menschen wieder besiedelt; seither sind rund 16000 Jahre vergangen. «Aber wir haben noch immer grosse Lücken», gibt Hochuli zu verstehen. «Betrachtet man die Zeitachse als ein Puzzle mit 16 000 Teilen, haben wir bisher vielleicht 400 bis 500 Teile.» Der Archäologe zeigt auf ein unscheinbares rötliches Etwas, so klein wie ein Daumennagel. «Manchmal ist das Unansehnliche die Sensation.» Das winzige Teil stammt von einer griechischen Trinkschale, die um etwa 450 vor Christus den Weg zur Baarburg fand. «Dort muss also jemand gelebt haben, der sich das leisten konnte. Es muss eine vermögende Oberschicht gewesen sein, die Kontakte zum Mittelmeergebiet hatte», folgert Hochuli.
Archäologie kommt nicht nur unter dem Boden in Einsatz
Neben Ausgrabungen beschäftigt sich die Archäologie auch mit bestehenden Gebäuden. So entdeckte das Amt beispielsweise in ein Bauernhaus an der Leihgasse 39/41 kurz vor dem Abbruch hinter dem Täfer in der Stube die ursprüngliche, reich bemalte Holzwand. Heute steht sie im Archiv des Amtes für Archäologie und Denkmalpflege. «Schade», meint Stefan Hochuli, «dass wir sie nicht öffentlich ausstellen können.»